Online-Beratung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Highlights - Das Wichtigste in Kürze:

 

  • Professionelle Beratung ist ein zentraler Teil der Versorgungskette bei Essstörungen, da Beratungsstellen häufig die erste Anlaufstelle für von Essstörungen betroffene Personen und ihr soziales Umfeld sind.
  • Digitale Beratung ermöglicht einen niedrigschwelligen Zugang zu professioneller Hilfe. Dies ist auch deshalb wichtig, weil der Bedarf an Beratungsleistungen bei Essstörungen im Zuge der COVID-19-Pandemie stark gestiegen ist.
  • Online-Beratungsangebote können sowohl textbasiert (z. B. über E-Mail, Chat, Messenger) als auch videobasiert stattfinden, synchron oder asynchron und im Einzel- oder Mehrpersonensetting. Sie bieten somit vielfältige Potentiale.
  • Digitale Beratung im Essstörungsbereich ist noch nicht flächendeckend verbreitet und war bislang kaum erforscht1.

 

➦ Im Forschungsprojekt "DigiBEssst" wurden Qualitätsleitlinien für eine professionelle digitale Beratung bei Essstörungen entwickelt. Diese bieten einerseits Fachkräften Anregungen und Hilfestellung. Andererseits ermöglichen sie Ratsuchenden eine Orientierung, um seriöse Beratungsangebote im Internet von unseriösen unterscheiden zu können.

 

1. Allgemeine Informationen (Begriffe, Definition, Potenzial, mögliche Einsatzbereiche):

➦ Mehr lesen

"Online-Beratung" oder "digitale Beratung" schließt sämtliche Formen der Beratung zwischen einer Fachkraft und einer ratsuchenden Person ein, die auf die "Infrastruktur des Internets angewiesen sind"3. Hierzu zählen somit textbasierte synchrone (=zeitgleiche) und asynchrone (=zeitversetzte) Online-Beratung (E-Mail, Chat, Forum, Messenger) sowie Video-Beratung4. Professionelle Beratungsstellen sind oftmals die erste Anlaufstelle für Menschen mit Essstörungen und ihr soziales Umfeld und somit ein wichtiges Element in der Behandlungskette bei Essstörungen5. Online-Beratungsangebote haben für Ratsuchende und Fachkräfte viele Vorteile: Sie sind örtlich und zeitlich häufig flexibler als Vor-Ort-Beratungen und können somit einen niedrigschwelligen und lebensweltorientierten Zugang zu professioneller Unterstützung bieten. Somit sind beispielsweise auch Ratsuchende in schlecht versorgten Gebieten gut erreichbar oder junge Menschen, bei denen die Prävalenz von Essstörungen besonders hoch ist und für die Online-Aktivitäten eine zentrale Lebenswelt darstellen6,7. Online-Beratungsangebote können zudem vielfältig eingesetzt werden, etwa zur Prävention, zum Clearing (diagnostische Abklärung, Weitervermittlung und Motivierung), zur Überbrückung von Wartezeiten, zur Nachsorge sowie zur Fortbildung und Fachberatung von Fachkräften. Außerdem sind digitale Beratungen sowohl im Einzel- als auch im Mehrpersonensetting möglich. Darüber hinaus kann die Anonymität textbasierter Beratungen es Ratsuchenden erleichtern, über schambesetzte Themen zu sprechen. Bei manchen Ratsuchenden kann bereits das Verschriftlichen eines Anliegens zur Entlastung beitragen. Weitere Potentiale – und auch Hinweise zum Umgang mit Herausforderungen – der Online-Beratung finden sich in den Qualitätsleitlinien des Projekts "DigiBEssst".

 

2. Evidenz/ Beispiele aus der Forschung

Laden Sie hier evidenzbasierte Qualitätsleitlinien für digitale Beratung bei Essstörungen herunter.

➦ Mehr lesen

Auch wenn die Online-Beratung spezifisch bei Essstörungen kaum erforscht ist, weisen mehrere Studien auf das Potenzial digitaler Interventionen zur Verbesserung der Versorgung von Menschen mit Essstörungen hin8-10. Doch bislang war unklar, was professionelle Beratungsstellen bei Essstörungen konkret an Online-Hilfestellungen anbieten und wie diese Online-Beratungsangebote von Fachkräften sowie Ratsuchenden beurteilt werden. Ferner fehlte es an Qualitätsleitlinien für die digitale Beratung bei Essstörungen, um professionelle Standards zu etablieren. Das vom Deutschen Bundesgesundheitsministerium geförderte Kooperationsprojekt „Digitale Beratungsangebote professioneller Beratungsstellen für Essstörungen: Partizipative Bestandsaufnahme, Evaluation und Entwicklung von Qualitätsleitlinien (DigiBEssst)“ will diese Forschungslücke schließen und nahm die professionelle digitale Essstörungsberatung in Deutschland in den Blick. Als Partner*innen traten einerseits die Hochschule Landshut und ihr Forschungsinstitut Sozialer Wandel und Kohäsionsforschung (IKON) und andererseits der Bundesfachverband Essstörungen e. V. (BFE) auf. Im Projekt wurden auf Basis eines Mixed-Methods-Designs – bestehend aus einer Online-Befragung und leitfadengestützten Interviews mit Fachkräften, von Essstörungen betroffenen Menschen und Angehörigen – Qualitätsleitlinien für eine professionelle digitale Beratung bei Essstörungen entwickelt. Diese sind als Empfehlungen zu verstehen, die einerseits von professionellen Beratungseinrichtungen zur kritischen Reflexion oder zur Etablierung eigener Online-Angebote genutzt werden können. Andererseits dienen sie Ratsuchenden als Orientierung, um professionelle Angebote im Internet identifizieren zu können. Sie sind in weiten Teilen auch über den Essstörungsbereich hinaus anwendbar. Die Qualitätsleitlinien wurden aus der Praxis heraus für die Praxis entwickelt und stehen kostenfrei u. a. auf der Homepage des Bundesfachverbandes Essstörungen e. V. (BFE) zum Download zur Verfügung. Sie können das PDF auch direkt hier herunterladen: zum Download.

 

3. Fazit und Empfehlungen

Online-Beratung ist gerade in der Unterstützung junger Menschen mit Essstörungen wertvoll. Medien und Einsatzbereiche der digitalen Beratung sind vielfältig und können an die individuellen Bedarfe von Ratsuchenden angepasst werden – auch in Verbindung mit Beratungsangeboten vor Ort (=Blended Counseling). Zur Professionalisierung digitaler Beratungsangebote können die Qualitätsleitlinien aus dem Projekt "DigiBEssst" als Orientierung herangezogen werden.

 

Weiterführende Informationen

Projektinformationen "DigiBEssst"
Qualitätsleitlinien für professionelle digitale Beratung bei Essstörungen
Bundesfachverband Essstörungen

 

Referenzen

➦ Mehr lesen

1Wunderer, E., Borse, S., Lamers, L., & Ommen, O. (2016a). Beratungsstellen für Menschen mit Essstörungen. Versorgungslage und Rolle der Sozialen Arbeit. Soziale Arbeit, 65(12), 456–462. https://doi.org/10.5771/0490-1606-2016-12-456

2Wunderer, E., Borse, S., Lamers, L., & Ommen, O. (2016b). Professionelle (Erst-)Hilfe bei Essstörungen. Aktualisierte Datenbank der BZgA zu Beratungsstellen für Betroffene, Angehörige und Fachkräfte. Ernährungs Umschau, 7, 25–28.

3Engelhardt, E., & Storch, S. D. (2013). Was ist Onlineberatung? - Versuch einer systematischen begrifflichen Einordnung der „Beratung im Internet“. e-beratungsjournal.net, 9(2). https://www.e-beratungsjournal.net/ausgabe_0213/engelhardt_storch.pdf

4Engelhardt, E. (2021). Lehrbuch Onlineberatung (2. Aufl.). Vandenhoeck & Ruprecht.

5BZgA. (2011). Empfehlungen zur integrierten Versorgung bei Essstörungen in Deutschland. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

6de Zwaan, M. (2015). Sollten/müssen wir neue Medien in der Behandlung der Essstörungen einsetzen? Psychotherapie, Psychosomatik, medizinische Psychologie, 65(1), 30–32. https://doi.org/10.1055/s-0034-1394401

7Feierabend, S., Rathgeb, T., Hediye, K., & Glöckler, S. (2022). JIM-Studie 2022. Jugend, Information, Medien. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger. Landesanstalt für Kommunikation (LFK). https://www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/JIM/2022/JIM_2022_Web_final.pdf

8Barakat, S., Maguire, S., Smith, K. E., Mason, T. B., Crosby, R. D., & Touyz, S. (2019). Evaluating the role of digital intervention design in treatment outcomes and adherence to eTherapy programs for eating disorders: A systematic review and meta-analysis. The International Journal Of Eating Disorders, 52(10), 1077–1094. https://doi.org/10.1002/eat.23131

9Högdahl, L., Birgegård, A., Norring, C., de Man Lapidoth, J., Franko, M. A., & Björck, C. (2023). Internet-based cognitive behavioral therapy for bulimic eating disorders in a clinical setting: Results from a randomized trial with one-year follow-up. Internet Interventions : The Application of Information Technology in Mental and Behavioural Health, 31, 100598–100598. https://doi.org/10.1016/j.invent.2022.100598

10Pellegrini, D., Grennan, L., Bhatnagar, N., McVey, G., & Couturier, J. (2022). Virtual prevention of eating disorders in children, adolescents, and emerging adults: A scoping review. Journal of Eating Disorders, 10(1), 1–94. https://doi.org/10.1186/s40337-022-00616-8


SIDA-ESS Toolkit

Dieses Toolkit richtet sich an Behandelnde von Essstörungen und wird im Rahmen des Projektes SIDA-ESS weiterentwickelt und evaluiert. SIDA-ESS steht für Strategien zur Integration von evidenzbasierten digitalen Angeboten in die Behandlung von Essstörungen und ist ein vom Bundesministerium für Gesundheit gefördertes Projekt.

 

 

Kontakt

Forschungsstelle für Psychotherapie
Universitätsklinikum Heidelberg
 Bergheimer Straße 54
69115 Heidelberg
 Tel.: +49 6221 56-38170
 Fax: +49 6221 56-7350
 Website: www.sida-essstoerungen.de
 E-Mail: kontakt [at] sida-essstoerungen.de